Psychotherapie

Nonverbale Kommunikation – Gesten

Studie der Universität Würzburg zeigt – Wir zeigen ins Leere!

 

Die Situation kennt wahrscheinlich jeder: Man möchte jemanden auf etwas hinweisen und zeigt mit dem Finger darauf. Der Gegenüber versteht einen nicht, findet weder den Igel am Straßenrand noch ein bestimmtes Sternbild am Himmel. Psychologen der Uni Würzburg haben herausgefunden, warum wir uns mittels Zeigegesten so oft missverstehen.

Zeigegesten sind ein wichtiger Bestandteil der zwischenmenschlichen Kommunikation. Die Kommunikation mit Zeigegesten stößt aber an ihre Grenzen, sobald man auf entfernte, unauffällige Objekte zeigt. In diesem Fall verstehen Betrachter von Zeigegesten oftmals nicht, worauf eine andere Person zeigt. Mit einem Experiment hat Psychologe Oliver Herbort von der Uni Würzburg die Gründe dafür untersucht. Über seine Ergebnisse berichtet er im Fachmagazin „Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance“.

Sender und Adressat nutzen unterschiedliche geometrische Regeln

„Die geometrischen Regeln, die beschreiben, auf welche Art eine Person auf etwas zeigt, unterscheiden sich von den Regeln, die zur Interpretation von Zeigegesten herangezogen werden“, sagt Herbort. Derjenige, der etwas zeigen möchte, bringt – aus seiner Perspektive – die Fingerspitze in die Nähe des zu zeigenden Objektes. Auge, Fingerspitze und das Objekt liegen in etwa auf einer Linie.

Der Adressat seiner Botschaft hingegen nimmt die zeigende Person mit ins Bild. Er verlängert die Linie, die sich aus Schulter, Arm und Zeigefinger ergibt, in Richtung des Fingerzeigs (siehe Grafik). „Dies führt dazu, dass der  …….

Weiterlesen: https://www.uni-wuerzburg.de/sonstiges/meldungen/single/artikel/fingerzeig-ins-leere/

Kontakt

Dr. Oliver Herbort, Lehrstuhl für Psychologie III, T.: +49 931 31-89809,
E-Mail: oliver.herbort@psychologie.uni-wuerzburg.de

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Erziehung – Eine Investition in die Zukunft

Paare sind oft auch Elternpaare und nicht nur mit sich selbst, sondern auch ihren liebsten Kindern beschäftigt. Klein bis mittel- und ganz gross, mit unterschiedlichen Freuden und auch Sorgen. Eltern investieren viel Liebe und Energie in die Entwicklungsbegleitung Ihrer Kinder, sie sind bemüht die Welt möglichst so zu gestalten, dass die vorerst vorsichtigen und dann immer mutigeren Schritte ins Leben gut gelingen können.

 

Ein Lernprozess fürs Leben

Eltern haben den Anspruch, dass diese gemeinsame Arbeit einvernehmlich und harmonisch mit den Heranwachsenden möglich ist. Im Idealfall jedoch finden sich in diesem Prozess auch Reibungsflächen an denen wichtige Kompetenzen für das spätere Leben erlernt werden können. Unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse müssen ausgehandelt werden, Spannungen ausgehalten und Konflikte ausgetragen werden.
Bis hin zur Erfahrung, dass unsere ‚Brut‘ einfach tut und lässt was sie gerade will – offen in Opposition oder auch heimlich im Verborgenen. Dieser Prozess fordert Elternpaaren viel Kraft und auch Anpassungsfähigkeit ab und nicht selten wird die gemeinsame pädagogische Haltung einer ernsthaften Prüfung unterzogen. In Sorge und Hilflosigkeit werden die Handlungen und Interventionen des anderen Elternteils hinterfragt, disqualifiziert und manchmal auch sabotiert. Mit einfachen Aussagen, Bemerkungen oder auch nur mit einem genervten die Augen verdrehen.
Spannungen zwischen den Eltern sind dann vorprogrammiert, denn es geht um das Eingemachte, um das Wertvollste auf der Welt. Nicht selten kommt die Frage auf weshalb dieser grosse Aufwand geleistet wird, ob es alleine und ohne Kinder nicht einfacher und der Lebensgenuss so nicht grösser wäre.

 

Eine lohnende Aufgabe

Wir leben mit unseren Kindern nicht nur ein Geben und Nehmen, wir leben einen Generationenvertrag, der darauf beruht, dass der grosse Einsatz für Familie und die Entwicklung der Kinder von den Grosseltern über die Eltern zu den Kindern und so weiter geleistet wird. Dessen müssen sich Eltern bewusst sein, wenn sie nicht in Zweifel und Verdruss versinken wollen. Insbesondere dann, wenn Kinder und Jugendliche auch Probleme machen, die das übliche Mass überschreiten. Wenn sie Dinge tun, die Ihnen schaden, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder auch wenn sie den Boden unter den Füssen verlieren und den Halt selbst nicht mehr finden. Dann sind Eltern besonders gefordert.
Vergessen wir nicht, was wir unseren Kindern an Zuwendung und Kraft zukommen lassen ist eine nachhaltige Investition in die Zukunft, deren Früchte wir selbst vielleicht gar nie ernten, sondern nur unsere Kinder oder ihre Kindeskinder geniessen können. Ein wunderbarer Ausblick in die Zukunft unserer Welt.

 

 

Reto Mischol / Erschienen als Kolumne in der Südostschweiz 17.11.2015

Posttraumatische Belastungsstörung und Psychotrauma

Der wahre Blick aufs Leben

Hiobsbotschaften erreichen uns Tag für Tag. Vom Abgasschwindel über den IS, all die möglichen physischen und psychischen Erkrankungen die da auf uns lauern, das schlechte Wetter, die allgegenwärtige Wirtschaftsflaute und der Einbruch in der Tourismusbranche.

Wir selbst wollen als kritisch denkende Menschen das Negative nicht aus den Augen verlieren, wir wollen ‚realistisch‘ sein und ernst genommen werden. Es mutet dabei schon verdächtig an, wenn jemand uneingeschränkt begeistert und motiviert zu was auch immer Stellung nimmt. Es gehört zum guten Ton auch gewisse Grautöne und Defizite anzusprechen – wir wollen ja nicht auf eine Meinung festgenagelt werden.

Das halb leere Glas dominiert unsere Wahrnehmung des Geschehens und zieht uns in seinen Bann. So könnte man wenigstens meinen, wenn man die Berichterstattung und die Bilder betrachtet, welche uns tagtäglich vermittelt werden. Selbst meine eigenen Aussagen hier bestätigen diese Negativkultur des Kritischen – unglaublich!

Rezept fürs Schöne

Kürzlich traf ich zufällig einen alten Bekannten in einer Kaffee-Bar und auf die Frage nach seinem Befinden sagte er strahlend: Solange wir hier sein und einen feinen Kaffee trinken können, geht es uns gut!

In der Psychotherapie versuchen wir dem Positiven und den Ressourcen mehr Raum zu geben, diese sollen wiederentdeckt und aktiviert werden. Gerne verwende ich dazu das ‚Logbuch der Zufriedenheit‘. Die Anleitung dazu ist ganz einfach: Schreibe in dieses Buch für jeden Tag drei Dinge, die dich gefreut haben. Kleine und auch grössere dürfen es sein. Alles was Spass macht, was mit Stolz erfüllt oder ganz einfach das Herz erfreut.

Nicht ganz so einfach ist die konkrete Durchführung dieses Vorhabens, welche etwas Offenheit sich selbst und der Welt gegenüber und auch Beharrlichkeit erfordert. Regelmässig ertappt man sich dabei wieder in die Abgründe des Dramatischen zu driften und eine innere Stimme meldet sich mit Worten wie: „So gut ist dies oder das nun auch wieder nicht“ oder „Dieses krampfhaft positive Denken ist ja schon fast kitschig!“

Man kann diese Übung natürlich auch ganz im Geheimen machen, ohne sich als Gutdenker zu offenbaren und Gefahr zu laufen, dass man vielleicht belächelt wird. Sich ganz im Stillen, alleine oder zu zweit, überall das Schöne freuen und erleben wie das wirkt. Dankbar erfahren, dass es so tolle Momente im Leben gibt!

Auf dem ‚Beipackzettel‘ steht: Vorsicht, kann Ihr Leben verändern und Sie dürfen dieses Geheimnis auch weiter erzählen!

Erschienen als Kolumne in der SO Oktber 2015

Liebe im der Zeitalter der Ökonomisierung

Warum lieben wir uns überhaupt noch kostenlos in dieser durchoptimierten Welt? Oder quantifizieren wir in der innersten Zelle unseres Lebens bereits heute den Wert von Geben und Nehmen?

 

Menschen sind soziale Wesen und haben sich schon immer zu Lebensgemeinschaften zusammengeschlossen, um ihre existentielle Zukunft zu sichern. Wir haben es geschafft dies mehr und mehr zu perfektionieren und uns dadurch die Poleposition auf dieser Welt gesichert. Eine tolle Leistung im Kontext der Gesamtevolution.
Uns geht es zweifellos gut und doch stellt sich manchmal die Frage wo sinnvolle Grenzen in dieser Kosten-Nutzen-Rechnung gezogen werden könnten. Selbst Freiwilligenarbeit wird zum volkswirtschaftlichen Faktor erklärt und Elternschaft zum Teil des Bruttosozialproduktes. Wir treffen uns nicht mehr zu einem Kaffee, sondern wir Netzwerken.
Wir tun gut daran, wenn wir den Beziehungen zu uns nahe stehenden Menschen Sorge tragen, damit zweckorientiertes Denken uns nicht voneinander entfremdet und wir uns selbst schlussendlich ohne es zu bemerken zu einem Produkt unser Lebensgestaltung degradieren.
Wir brauchen eine Kultur der Zuwendung und des selbstlosen Gebens, um den Blick für einander und die wahren Werte unseres Seins nicht zu verlieren.
Paare, denen der Zugang zueinander verloren geht, suchen oft nach der gegenseitigen Erfüllung der verborgenen Träume und dem grossen Schlüssel des Verbindenden. Dabei wird oft vergessen, dass die Pflege der Beziehung zuerst in den kleinen Zeichen der alltäglichen Wertschätzung beginnt. Ein Lächeln, ein nettes Wort, eine Hilfestellung, ein flüchtiges Kompliment, wieder einmal etwas Verrücktes tun oder einfach nur die Aufmerksamkeit gemeinsamer Zeit. Alles scheinbare Selbstverständlichkeiten in der wunderbaren Kunst des Zusammenlebens. Lustvolles auf einander Zugehen erfordert aktives Handeln und die Bereitschaft dem Anderen Einfluss auf die eigene Gefühlswelt zu erlauben. Wohl ein Wagnis, das sich jedoch lohnt, wenn wir uns ein erfüllendes Miteinander wünschen.
Denn es geht schlussendlich immer um Liebe und das faszinierende Gefühl von bedingungsloser Zugehörigkeit und Hingabe.

 

Erschienen in der ‚Südostschweiz‘ August 2015

Vertrauen

Vertrauen, Täuschen und Schwindeln

 

Unsere Ansprüche an Offenheit und Ehrlichkeit in direkten zwischenmenschlichen Kontakten und ebenso in der wirtschaftlich-politischen Kommunikation sind sehr hoch. Gleichzeitig wissen wir auch, dass Daten und Fakten interpretier- und biegbar sind und dies auch eine wichtige Strategie im öffentlichen Diskurs darstellt. Wenn wir uns selbst und unsere Produkte an den Mann, die Frau bringen wollen, so  bedienen wir uns frisch fröhlich aller Möglichkeiten, die uns erfolgreich und attraktiv erscheinen lassen.

 

Die Fragen, die sich uns dabei stellen lauten: Wieviel ‚Kreativität‘ im Umgang mit der Wahrheit verträgt sich mit einer nachhaltigen Zielorientierung? Und wann wird diese Gratwanderung unweigerlich zu einem Eigentor,  welches die eigene Glaubwürdigkeit auf lange Sicht demontiert?

 

Im Zeitalter der Massenmedien haben wir gelernt die uns vorgesetzten Informationen abzuwiegen und ebenso zu relativieren. Wir sind kritische Zeitgenossen.

 

Vertrauen und Verlässlichkeit

In persönlichen Beziehungen jedoch spielen Vertrauen und Verlässlichkeit eine entscheidende Bedeutung – worauf können wir uns also verlassen? Aktuelle Studien aus dem forensischen Bereich, die sich aus Gründen der Wahrheitsfindung mit dem Thema Lügen befassen, zeigen diesbezüglich ein sehr ernüchterndes Bild auf.  Wirkliche Anzeichen, die in der Kommunikation auf Unehrlichkeit schliessen lassen, finden sich kaum. Wenn, dann nur unter sehr individueller Betrachtung.

 

Wir sind darauf angewiesen, uns auf unsere Mitmenschen verlassen zu können und ihnen vertrauen zu können. Doch was bedeutet das unter der Prämisse, dass menschliche Kommunikation an sich interpretierbar ist und Enttäuschungen und Grenzverletzungen immer wieder vorkommen können? Wir müssen lernen damit umgehen zu können, dass es die totale Sicherheit in Beziehungen nicht gibt. Dass wir um den Preis unserer Verletzbarkeit Situationen eingehen, die uns vorerst Nähe und Wohlgefühl versprechen. In der Liebe und Zuneigung zu Menschen ist dies sehr deutlich der Fall. Wir wissen, dass das Schönste der Welt direkt mit tiefstem Leiden gekoppelt sein kann, das Menschen erleben können. Das ist dann der Fall, wenn das Vertrauen und die Nähe in eine uns wichtige Person nicht mehr selbstverständlich sind. Gut, dass wir uns trotz alledem lustvoll auf das Wagnis Leben einlassen und seine wunderbaren Geschenke und auch Herausforderungen annehmen.

 

Erschienen in der Südostschweiz Juli 2015

Zukunft der Welt – Kofi Annan

Gedanken zur Zukunft der Welt

In seinem Videobeitrag spricht Kofi Annan, zwischen 1997 und 2006 Generalsekretär der Vereinten Nationen, über seine Gedanken und Forderungen für eine bessere Zukunft der Welt.

Kofi Annan, shares his vision for a more equitable and peaceful world.

 

„Die Stiftung Kofi Annan Foundation hat zum Ziel, die Global Governance zu fördern und die Kapazitäten von Menschen und Ländern in ihrem Einsatz für eine sicherere und gerechtere Welt zu stärken. Um die Mission der Stiftung zu erfüllen, wurden in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Frieden und Sicherheit Programme entwickelt und Partnerschaften aufgebaut.“

Quelle: Kofi Annan Foundation website

 

 

psyaspect - Paartherapie und Paarberatung

Liebe und Verliebtsein

‚Liebe und Verliebtsein‘ – Zusammenhänge und Unterschiede

 

Studienbericht von der Pressestelle der Universität Oldenburg

Welche Gedanken, Gefühle und Handlungen kennzeichnen die Liebe? Worin unterscheiden sich Liebe und Verliebtheit? Erwartet man vom Partner mehr oder andere „Liebesbeweise“, als man selbst zu zeigen bereit ist? Und schließlich: Welche Umstände führen zu einem „Entlieben“? Das sind Fragen zur menschlichen Liebe, die empirisch untersucht wurden. Mit einem Kind der Liebe, der Eifersucht, beschäftigt sich ein weiterer Beitrag („Eifersucht – ein Kind der Liebe“).

 

Jeder, der die Liebe erlebt hat, dürfte wohl der Behauptung zustimmen, daß dieses Gefühl das schönste und wichtigste ist, das Menschen erleben können. Wer sich jedoch wissenschaftlich mit dem Thema „Liebe“ auseinandersetzen will, muß rasch feststellen, daß damit der Vorrat an unstrittigen, von allen geteilten Meinungen zur Liebe auch schon erschöpft zu sein scheint. Sogar die Frage, ob die Liebe überhaupt wissenschaftlich analysiert werden kann und soll, wird kontrovers beantwortet.

Insbesondere zwei populäre „Mythen“ bezweifeln die Möglichkeit bzw. den Wert einer wissenschaftlichen Erforschung der Liebe: Der erste Mythos besagt, daß die Aufgabe, das Phänomen der menschlichen Liebe zu definieren und zu erklären, prinzipiell unlösbar sei. Man habe es zwar seit Jahrtausenden versucht, aber bis heute könne keiner genau sagen, was die Liebe …..

 

Gedanken, Gefühle und Handlungen der Liebe

Die empirischen Untersuchungen, über die hier berichtet wird, sollten einen Beitrag zur Klärung dieser Frage leisten: „Was meinen wir, wenn wir von Liebe – genauer: der Liebe zum Partner – reden?“ (Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nicht jedesmal von „Partner/Partnerin“ gesprochen, auch wenn natürlich stets alle denkbaren Partnerkonstellationen in ‚romantischen‘ Liebesbeziehungen gemeint sind).

 

Weiterlesen: https://www.uni-oldenburg.de/aktuelles/einblicke/25/liebe-und-verliebtsein/

Onlinetherapie oder Onlineberatung

Wert und Würde der Menschen

Wer ist uns wie nah und wie bedeutsam?

Diese Frage beantworten wir nicht gerne mit einer mathematischen Gewichtung. Vielmehr bringend wir dies mit Gefühlen, Zuneigung und Handlungen zum Ausdruck. Wir wollen, dass sichtbar wird wer uns was bedeutet. Liebe und Zuneigung sind kostbare Güter, welche wir mit Bedacht verteilen und welche wir im Gegenzug als Geschenk gerne annehmen. Wir brauchen das Gefühl geschätzt und wertvoll für unsere Mitmenschen zu sein. Daran können wir wachsen.

Im Idealfall erfahren wir diese bedingungslose Liebe und Wertschätzung bereits als kleines Kind in der uns Sicherheit gebenden Familie, lernen darauf zu vertrauen und von dort aus mutig die Welt zu entdecken. Dabei verlassen wir uns auf unser untrügliches Gefühl, dass unser Sein auch bedeutsam für die anderen Menschen ist.

Nicht allen ist diese Erfahrung der uneingeschränkten Zuwendung und Aufmerksamkeit geschenkt. Ständige Unsicherheit kann das Resultat sein, die es erschwert mit Urvertrauen auch schwierige Herausforderungen anzugehen.  Immer wieder aufkommende Ängste lassen uns dann hadern und am Wert unserer selbst zweifeln. Unser Selbstvertrauen ist angeschlagen. In den alltäglichen zwischenmenschlichen Beziehungen erfordert diese Verletzbarkeit ein sorgfältiges aufeinander Zugehen und eine behutsame Pflege und Förderung des Selbstwertes, der dann auf dem Fundament dieser Grundhaltung wieder an Sicherheit gewinnen kann.

Was auf individueller Ebene noch gut erkennbar ist, zeigt sich viel subtiler und doch mit zerstörerischer und wertender Kraft in unserem Verhalten gegenüber fremden und hilfsbedürftigen Menschen. Schnell wird hier erkennbar, dass in der gelebten Realität Menschen verschiedener  Bewertung unterstehen.  Wir entscheiden wer wo sein darf und wer ganz bestimmt nicht. Wer welcher Unterstützung würdig ist und wer nicht. Dies sind eindeutige Beurteilungsmassstäbe,  die über den Wert von Menschen befinden.

Wir können gegenüber allen Mitmenschen so denken und handeln, dass leichtfertige Verurteilungen und unterschiedliche Wertmassstäbe vermieden werden, damit Würde und Sicherheit nicht relativ und in diesem Sinne verhandelbar werden. Denn auch wir selbst möchten in unserer Bedeutung nicht nur auf äussere Faktoren reduziert werden.

 

 

Erschienen als Kolumne in der Südostschweiz Juni 2015

 

Die scheinbare Realität der Wirklichkeit

Wie wirklich ist unsere eigene  Wirklichkeit

 

Oder, warum ist alles nicht nur so wie wir es zu wissen meinen?

 

Im Umgang mit unseren Mitmenschen gehen wir meist davon aus, dass uns die Informationen und Eindrücke, die wir aufnehmen und bewerten eine schlüssige Interpretation der realen Situation erlauben. Dies macht es uns möglich, auf dem Hintergrund des uns zur Verfügung stehenden Wissens, wichtige Entscheidungen zu treffen und auch danach zu handeln.

 

Entweder wirst du glücklich oder du hast Recht

Was passiert jedoch, wenn  verschiedene, an ein und derselben Situation beteiligte Personen die Sachverhalte ganz oder auch nur teilweise unterschiedlich bewerten? Dann gehen wir schnell mal davon aus, dass die Anderen falsch liegen und davon überzeugt werden müssen, dass unsere eigene  Sichtweise die einzig richtige ist. Konflikte bis hin zu unüberwindbaren Abgründen können sich dadurch auftun.

Die psychologische Forschung lehrt, dass uns Menschen ganz unterschiedliche Warnehmungs- und Verarbeitungswerkzeuge sowie Handlungskompetenzen zur Verfügung stehen. Wir sind nicht identisch programmierte Maschinen, die nach ein und denselben Prinzipien funktionieren.

Jeder Mensch gestaltet sein Erleben selbst und jede Sekunde neu.

Dies wirkt sich in allen unseren Lebensbereichen aus. In den Differenzierungen zwischen Frau und Mann, in der  Berufswelt, in Religionen, der Wirtschaft und Politik offenbart uns  diese Tatsache ihre Wirkung.

Besonders deutlich kann sich dies z.B. in Kommunikationsmustern von Paaren oder auch beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und deren verinnerlichter Wertvorstellungen zeigen. Unsere Realität ist immer vom Kontext abhängig und wird durch uns  selbst mitgestaltet. Deshalb ist sie nie deckungsgleich.

Die Kunst gelingender  Kommunikation liegt in der Bereitschaft diese Tatsachen – nebst Daten und Fakten – zu verstehen und die verschiedenen Sichtweisen in das zukünftige Handeln zu integrieren.  Toleranz und die Fähigkeit das Eigene zu relativieren sind dabei gefordert, damit gegenseitiges Interesse und besseres Verständnis  entstehen können. Denn zwischen Wissen und Verstehen besteht immer ein immenser Unterschied.

 

 

Reto Mischol

Beitrag Kolumne SO Juni 2015

Machtfreie oder Gewaltfreie Kommunikation

Deeskalative Kommunikation oder ‚Gewaltfreie Kommunikation‘

Theorien zur Kommunikation finden sich zahlreiche von Watzlawik über Schulz von Thun zu Carl Rogers und seinem Schüler Marshall B. Rosenberg, der sich auch von Mahatma Gandhi inspirieren liess. Sie alle liefern wertvolle Modelle und Anregungen zum gleichwertigen und machtfreien Austausch zwischen Menschen.

Insbesondere Personen, die in nahen und vertrauten Beziehungen leben können dazu neigen in Spannungs- und Stresssituationen zu Kommunikationsstrategien zu greifen, die Elemente beinhalten, welche nach Macht, Überlegenheit ja sogar zur Unterdrückung des Gegenübers neigen. Solche Settings sind Paarbeziehungen, Familien, Teams in Freizeit und auch alle professionellen Gruppen, welche eine Aufgabe gemeinsam teilen.

Carl Rogers hat drei Variablen formuliert, die heute noch in allen Begegnungskontexten Bedeutung haben und auch als Grundvariablen therapeutischer Kontakte zählen. Es sind dies die Wertschätzung, die Akzeptanz und die Kongruenz bezüglich der Erkennbarkeit der eigenen Haltung.

Ich möchte hier als Beispiel das vielerwähnte Modell von Marshall B. Rosenberg näher betrachten. Er geht in seiner Theorie der gewaltfreien Kommunikation von vier grundlegenden Dimensionen und Phasen in der Begegnung zwischen Menschen aus, die zu beachten sind.

A) Beobachten

Die konkrete Wahrnehmung, Handlung oder Situation soll als solche geschildert und nicht auf dem persönlichen Hintergrund interpretiert oder bewertet werden. Der Gesprächspartner soll möglichst gut verstehen und nachvollziehen können worauf man sich bezieht und was gemeint ist.
‚Ich beobachte, dass in der letzten Zeit viele Dinge unerledigt bleiben. ‘

 

B) Gefühl

Die Beobachtung löst beim Mitteilenden ein Gefühl aus, das in Worte und verstehbar mitgeteilt werden soll.  Ohne mit Ärger oder Anschuldigungen zu reagieren.
‚Ich fühle mich dadurch verunsichert und das löst bei mir ein Unbehagen aus. ‘

 

C) Bedürfnis

Aus dem Gefühl ergibt sich ein Bedürfnis, das mit allgemeinen Aspekten des menschlichen Erlebens und einfühlsamem Kontakt zusammen hängt. Gefühle entstehen, wenn solche Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind. Es entsteht eine Spannung. Bedürfnisse zeigen uns oft auf in welcher Richtung sich Möglichkeiten zu neuen und vielleicht auch ungewöhnlichen Lösungen finden lassen. Diese sollen wiederum die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen.

‚Ich würde gerne wissen ob meine Wahrnehmung zutrifft und ob ich etwas tun kann. ‘

 

D) Bitte

Hier soll ein konkreter Wunsch formuliert werden, der eine ebenso konkrete Handlung des Anderen möglich werden lässt. Solche Apelle können auf der Inhalts- und auf der Beziehungsebene liegen.

‚Ich möchte dich bitten mein Handeln als kooperativ zu verstehen und würde mich freuen, wenn du mir deine Empfindungen mitteilst. ‘

Rosenberg hat zur gewaltfreien Kommunikation folgenden Satz formuliert: „Wenn ich A sehe, dann fühle ich B, weil ich C brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D.“

Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg

Die dafür nötigen Voraussetzungen welche Rosenberg nennt sind die folgenden. Eine Selbst-Empathie, welche es uns möglich macht offen anzunehmen was uns innerlich beschäftigt, ohne eigene Scham oder Beurteilung und in direktem Kontakt mit unseren  Bedürfnissen. Eine Empfänger-Empathie im Kontakt zum Gegenüber, das es uns möglich macht anzunehmen was mitgeteilt wird und abzuwehren. Und die Fähigkeit zu respektvoller Mitteilung der Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten an den Anderen.

Die Berücksichtigung dieser Grundsätze im Umgang miteinander erhöht den Grad der Orientierung dem Anderen gegenüber. Dies entspricht einem menschlichen Grundbedürfnis und stellt Verständnis und Bereitschaft für gemeinsame Lösungsschritte dar.