Das Fremde zwischen Faszination und Angst

Das Fremde fordert Engagement und die Bereitschaft zu verstehen

Die Neugier und Lust auf Neues, Herausforderndes steckt in uns und beflügelt uns. Diese Kraft über Grenzen zu denken ist verantwortlich für alle Errungenschaften unserer Kultur. Neues entsteht, wenn wir es wagen die Sphäre hinter dem Naheliegenden zu erkunden. Die Weltgeschichte der Innovation hält für uns dabei viele Beweise bereit. Von den grossen Entdeckungen über die Welt des künstlerischen Schaffens, bis hin zu den uns Sicherheit und Gesundheit gebenden Erkenntnissen von Wissenschaft und Medizin.

 

Wir leben und entwickeln uns durch die Fähigkeit des offenen Denkens und Handelns.

Gleichzeitig treiben uns Sorgen und Ängste um, die uns mahnen vorsichtig zu sein und gut dafür zu schauen, dass wir es mit unserer Neugier nicht zu bunt treiben. Die psychologische Forschung lehrt uns, dass der Mensch nur zu Sicherheit und Lebenszufriedenheit findet, wenn er auch Situationen eingeht in denen er neue Erfahrungen machen kann. Indem wir die Erfahrung machen können – ich schaffe das! Dies beinhaltet im Alltagsleben, aber auch in der Psychotherapie, nicht selten die Bereitschaft, sich seinen grossen Ängsten zu stellen.

Wir wissen, dass wir dem begegnen müssen was sich uns in den Weg stellt, ob wir wollen oder nicht. Sei dies gegenüber uns selbst, in Bezug auf unser unmittelbares soziales Umfeld oder auch im Hinblick auf gesellschaftliche Gegebenheiten. Sonst versinken wir leicht in Selbstzweifel und Trübsal, ziehen uns zurück und hadern mit der Welt.

Menschen sind in dieser Zeit auf der Flucht vor realen Bedrohungen, die sich in ihrer Dimension unserer Erfahrung und Vorstellungskraft völlig entziehen. Wir können bestimmt auch für uns selbst Neues gewinnen, wenn wir uns darauf einlassen, dass Menschen unsere Hilfe und die Sicherheit unserer Welt suchen.

Vielleicht gelingt es uns sogar einiges von dem Fremden in unser Leben zu integrieren. Ich denke auch, dass wir durch uneigennütziges Tun zudem viel Selbstachtung und innere Ruhe gewinnen können.

Schlussendlich werden wir an der Art und Weise wie wir miteinander umgehen gemessen – wir tun gut daran bewusst zu wählen.

 

Mit einem Hinweis auf den ‚Kongress Migration‘, der vom 2.-7. Mai 2016 in Essaouira Marokko stattfindet.Dromedar Marokko

 

‚Das Fremde zwischen Faszination und Angst‘ ist erschienen in der SO September 2015

Liebe im der Zeitalter der Ökonomisierung

Warum lieben wir uns überhaupt noch kostenlos in dieser durchoptimierten Welt? Oder quantifizieren wir in der innersten Zelle unseres Lebens bereits heute den Wert von Geben und Nehmen?

 

Menschen sind soziale Wesen und haben sich schon immer zu Lebensgemeinschaften zusammengeschlossen, um ihre existentielle Zukunft zu sichern. Wir haben es geschafft dies mehr und mehr zu perfektionieren und uns dadurch die Poleposition auf dieser Welt gesichert. Eine tolle Leistung im Kontext der Gesamtevolution.
Uns geht es zweifellos gut und doch stellt sich manchmal die Frage wo sinnvolle Grenzen in dieser Kosten-Nutzen-Rechnung gezogen werden könnten. Selbst Freiwilligenarbeit wird zum volkswirtschaftlichen Faktor erklärt und Elternschaft zum Teil des Bruttosozialproduktes. Wir treffen uns nicht mehr zu einem Kaffee, sondern wir Netzwerken.
Wir tun gut daran, wenn wir den Beziehungen zu uns nahe stehenden Menschen Sorge tragen, damit zweckorientiertes Denken uns nicht voneinander entfremdet und wir uns selbst schlussendlich ohne es zu bemerken zu einem Produkt unser Lebensgestaltung degradieren.
Wir brauchen eine Kultur der Zuwendung und des selbstlosen Gebens, um den Blick für einander und die wahren Werte unseres Seins nicht zu verlieren.
Paare, denen der Zugang zueinander verloren geht, suchen oft nach der gegenseitigen Erfüllung der verborgenen Träume und dem grossen Schlüssel des Verbindenden. Dabei wird oft vergessen, dass die Pflege der Beziehung zuerst in den kleinen Zeichen der alltäglichen Wertschätzung beginnt. Ein Lächeln, ein nettes Wort, eine Hilfestellung, ein flüchtiges Kompliment, wieder einmal etwas Verrücktes tun oder einfach nur die Aufmerksamkeit gemeinsamer Zeit. Alles scheinbare Selbstverständlichkeiten in der wunderbaren Kunst des Zusammenlebens. Lustvolles auf einander Zugehen erfordert aktives Handeln und die Bereitschaft dem Anderen Einfluss auf die eigene Gefühlswelt zu erlauben. Wohl ein Wagnis, das sich jedoch lohnt, wenn wir uns ein erfüllendes Miteinander wünschen.
Denn es geht schlussendlich immer um Liebe und das faszinierende Gefühl von bedingungsloser Zugehörigkeit und Hingabe.

 

Erschienen in der ‚Südostschweiz‘ August 2015

Vertrauen

Vertrauen, Täuschen und Schwindeln

 

Unsere Ansprüche an Offenheit und Ehrlichkeit in direkten zwischenmenschlichen Kontakten und ebenso in der wirtschaftlich-politischen Kommunikation sind sehr hoch. Gleichzeitig wissen wir auch, dass Daten und Fakten interpretier- und biegbar sind und dies auch eine wichtige Strategie im öffentlichen Diskurs darstellt. Wenn wir uns selbst und unsere Produkte an den Mann, die Frau bringen wollen, so  bedienen wir uns frisch fröhlich aller Möglichkeiten, die uns erfolgreich und attraktiv erscheinen lassen.

 

Die Fragen, die sich uns dabei stellen lauten: Wieviel ‚Kreativität‘ im Umgang mit der Wahrheit verträgt sich mit einer nachhaltigen Zielorientierung? Und wann wird diese Gratwanderung unweigerlich zu einem Eigentor,  welches die eigene Glaubwürdigkeit auf lange Sicht demontiert?

 

Im Zeitalter der Massenmedien haben wir gelernt die uns vorgesetzten Informationen abzuwiegen und ebenso zu relativieren. Wir sind kritische Zeitgenossen.

 

Vertrauen und Verlässlichkeit

In persönlichen Beziehungen jedoch spielen Vertrauen und Verlässlichkeit eine entscheidende Bedeutung – worauf können wir uns also verlassen? Aktuelle Studien aus dem forensischen Bereich, die sich aus Gründen der Wahrheitsfindung mit dem Thema Lügen befassen, zeigen diesbezüglich ein sehr ernüchterndes Bild auf.  Wirkliche Anzeichen, die in der Kommunikation auf Unehrlichkeit schliessen lassen, finden sich kaum. Wenn, dann nur unter sehr individueller Betrachtung.

 

Wir sind darauf angewiesen, uns auf unsere Mitmenschen verlassen zu können und ihnen vertrauen zu können. Doch was bedeutet das unter der Prämisse, dass menschliche Kommunikation an sich interpretierbar ist und Enttäuschungen und Grenzverletzungen immer wieder vorkommen können? Wir müssen lernen damit umgehen zu können, dass es die totale Sicherheit in Beziehungen nicht gibt. Dass wir um den Preis unserer Verletzbarkeit Situationen eingehen, die uns vorerst Nähe und Wohlgefühl versprechen. In der Liebe und Zuneigung zu Menschen ist dies sehr deutlich der Fall. Wir wissen, dass das Schönste der Welt direkt mit tiefstem Leiden gekoppelt sein kann, das Menschen erleben können. Das ist dann der Fall, wenn das Vertrauen und die Nähe in eine uns wichtige Person nicht mehr selbstverständlich sind. Gut, dass wir uns trotz alledem lustvoll auf das Wagnis Leben einlassen und seine wunderbaren Geschenke und auch Herausforderungen annehmen.

 

Erschienen in der Südostschweiz Juli 2015

Zukunft der Welt – Kofi Annan

Gedanken zur Zukunft der Welt

In seinem Videobeitrag spricht Kofi Annan, zwischen 1997 und 2006 Generalsekretär der Vereinten Nationen, über seine Gedanken und Forderungen für eine bessere Zukunft der Welt.

Kofi Annan, shares his vision for a more equitable and peaceful world.

 

„Die Stiftung Kofi Annan Foundation hat zum Ziel, die Global Governance zu fördern und die Kapazitäten von Menschen und Ländern in ihrem Einsatz für eine sicherere und gerechtere Welt zu stärken. Um die Mission der Stiftung zu erfüllen, wurden in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Frieden und Sicherheit Programme entwickelt und Partnerschaften aufgebaut.“

Quelle: Kofi Annan Foundation website

 

 

psyaspect - Paartherapie und Paarberatung

Liebe und Verliebtsein

‚Liebe und Verliebtsein‘ – Zusammenhänge und Unterschiede

 

Studienbericht von der Pressestelle der Universität Oldenburg

Welche Gedanken, Gefühle und Handlungen kennzeichnen die Liebe? Worin unterscheiden sich Liebe und Verliebtheit? Erwartet man vom Partner mehr oder andere „Liebesbeweise“, als man selbst zu zeigen bereit ist? Und schließlich: Welche Umstände führen zu einem „Entlieben“? Das sind Fragen zur menschlichen Liebe, die empirisch untersucht wurden. Mit einem Kind der Liebe, der Eifersucht, beschäftigt sich ein weiterer Beitrag („Eifersucht – ein Kind der Liebe“).

 

Jeder, der die Liebe erlebt hat, dürfte wohl der Behauptung zustimmen, daß dieses Gefühl das schönste und wichtigste ist, das Menschen erleben können. Wer sich jedoch wissenschaftlich mit dem Thema „Liebe“ auseinandersetzen will, muß rasch feststellen, daß damit der Vorrat an unstrittigen, von allen geteilten Meinungen zur Liebe auch schon erschöpft zu sein scheint. Sogar die Frage, ob die Liebe überhaupt wissenschaftlich analysiert werden kann und soll, wird kontrovers beantwortet.

Insbesondere zwei populäre „Mythen“ bezweifeln die Möglichkeit bzw. den Wert einer wissenschaftlichen Erforschung der Liebe: Der erste Mythos besagt, daß die Aufgabe, das Phänomen der menschlichen Liebe zu definieren und zu erklären, prinzipiell unlösbar sei. Man habe es zwar seit Jahrtausenden versucht, aber bis heute könne keiner genau sagen, was die Liebe …..

 

Gedanken, Gefühle und Handlungen der Liebe

Die empirischen Untersuchungen, über die hier berichtet wird, sollten einen Beitrag zur Klärung dieser Frage leisten: „Was meinen wir, wenn wir von Liebe – genauer: der Liebe zum Partner – reden?“ (Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nicht jedesmal von „Partner/Partnerin“ gesprochen, auch wenn natürlich stets alle denkbaren Partnerkonstellationen in ‚romantischen‘ Liebesbeziehungen gemeint sind).

 

Weiterlesen: https://www.uni-oldenburg.de/aktuelles/einblicke/25/liebe-und-verliebtsein/

Onlinetherapie oder Onlineberatung

Wert und Würde der Menschen

Wer ist uns wie nah und wie bedeutsam?

Diese Frage beantworten wir nicht gerne mit einer mathematischen Gewichtung. Vielmehr bringend wir dies mit Gefühlen, Zuneigung und Handlungen zum Ausdruck. Wir wollen, dass sichtbar wird wer uns was bedeutet. Liebe und Zuneigung sind kostbare Güter, welche wir mit Bedacht verteilen und welche wir im Gegenzug als Geschenk gerne annehmen. Wir brauchen das Gefühl geschätzt und wertvoll für unsere Mitmenschen zu sein. Daran können wir wachsen.

Im Idealfall erfahren wir diese bedingungslose Liebe und Wertschätzung bereits als kleines Kind in der uns Sicherheit gebenden Familie, lernen darauf zu vertrauen und von dort aus mutig die Welt zu entdecken. Dabei verlassen wir uns auf unser untrügliches Gefühl, dass unser Sein auch bedeutsam für die anderen Menschen ist.

Nicht allen ist diese Erfahrung der uneingeschränkten Zuwendung und Aufmerksamkeit geschenkt. Ständige Unsicherheit kann das Resultat sein, die es erschwert mit Urvertrauen auch schwierige Herausforderungen anzugehen.  Immer wieder aufkommende Ängste lassen uns dann hadern und am Wert unserer selbst zweifeln. Unser Selbstvertrauen ist angeschlagen. In den alltäglichen zwischenmenschlichen Beziehungen erfordert diese Verletzbarkeit ein sorgfältiges aufeinander Zugehen und eine behutsame Pflege und Förderung des Selbstwertes, der dann auf dem Fundament dieser Grundhaltung wieder an Sicherheit gewinnen kann.

Was auf individueller Ebene noch gut erkennbar ist, zeigt sich viel subtiler und doch mit zerstörerischer und wertender Kraft in unserem Verhalten gegenüber fremden und hilfsbedürftigen Menschen. Schnell wird hier erkennbar, dass in der gelebten Realität Menschen verschiedener  Bewertung unterstehen.  Wir entscheiden wer wo sein darf und wer ganz bestimmt nicht. Wer welcher Unterstützung würdig ist und wer nicht. Dies sind eindeutige Beurteilungsmassstäbe,  die über den Wert von Menschen befinden.

Wir können gegenüber allen Mitmenschen so denken und handeln, dass leichtfertige Verurteilungen und unterschiedliche Wertmassstäbe vermieden werden, damit Würde und Sicherheit nicht relativ und in diesem Sinne verhandelbar werden. Denn auch wir selbst möchten in unserer Bedeutung nicht nur auf äussere Faktoren reduziert werden.

 

 

Erschienen als Kolumne in der Südostschweiz Juni 2015

 

Die scheinbare Realität der Wirklichkeit

Wie wirklich ist unsere eigene  Wirklichkeit

 

Oder, warum ist alles nicht nur so wie wir es zu wissen meinen?

 

Im Umgang mit unseren Mitmenschen gehen wir meist davon aus, dass uns die Informationen und Eindrücke, die wir aufnehmen und bewerten eine schlüssige Interpretation der realen Situation erlauben. Dies macht es uns möglich, auf dem Hintergrund des uns zur Verfügung stehenden Wissens, wichtige Entscheidungen zu treffen und auch danach zu handeln.

 

Entweder wirst du glücklich oder du hast Recht

Was passiert jedoch, wenn  verschiedene, an ein und derselben Situation beteiligte Personen die Sachverhalte ganz oder auch nur teilweise unterschiedlich bewerten? Dann gehen wir schnell mal davon aus, dass die Anderen falsch liegen und davon überzeugt werden müssen, dass unsere eigene  Sichtweise die einzig richtige ist. Konflikte bis hin zu unüberwindbaren Abgründen können sich dadurch auftun.

Die psychologische Forschung lehrt, dass uns Menschen ganz unterschiedliche Warnehmungs- und Verarbeitungswerkzeuge sowie Handlungskompetenzen zur Verfügung stehen. Wir sind nicht identisch programmierte Maschinen, die nach ein und denselben Prinzipien funktionieren.

Jeder Mensch gestaltet sein Erleben selbst und jede Sekunde neu.

Dies wirkt sich in allen unseren Lebensbereichen aus. In den Differenzierungen zwischen Frau und Mann, in der  Berufswelt, in Religionen, der Wirtschaft und Politik offenbart uns  diese Tatsache ihre Wirkung.

Besonders deutlich kann sich dies z.B. in Kommunikationsmustern von Paaren oder auch beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und deren verinnerlichter Wertvorstellungen zeigen. Unsere Realität ist immer vom Kontext abhängig und wird durch uns  selbst mitgestaltet. Deshalb ist sie nie deckungsgleich.

Die Kunst gelingender  Kommunikation liegt in der Bereitschaft diese Tatsachen – nebst Daten und Fakten – zu verstehen und die verschiedenen Sichtweisen in das zukünftige Handeln zu integrieren.  Toleranz und die Fähigkeit das Eigene zu relativieren sind dabei gefordert, damit gegenseitiges Interesse und besseres Verständnis  entstehen können. Denn zwischen Wissen und Verstehen besteht immer ein immenser Unterschied.

 

 

Reto Mischol

Beitrag Kolumne SO Juni 2015

Liebe im Alter, Liebe in Zukunft

Interview mit Reto Mischol zum Thema: Liebe im Alter und in der Zukunft

 

  1. Fällt es im Alter schwerer sich an einen Menschen zu binden?

Bindungsfähigkeit im psychologischen Sinne bildet sich bereits in den ersten Lebensjahren und stellt eine konstante Kompetenz dar soziale Kontakte anzubahnen und zu pflegen. Im Alter stellen Beziehungen ganz andere Anforderungen dar als in früheren Lebensabschnitten. Die Arterhaltung ist keine Aufgabe mehr, Erotik und Sexualität sind bedeutsam, sie stehen  jedoch nicht mehr derart im Vordergrund und sind nicht so stark hormonell bestimmt. Vielmehr besteht ein Bedürfnis nach Sicherheit, Nähe und Geborgenheit und nach Zärtlichkeit. Einsamkeit soll und darf mit einer Partnerschaft begegnet werden. Die Beziehungsaufnahme an sich ist nicht schwieriger als in anderen Lebensphasen, die Gelegenheiten die sich dazu anbieten sind jedoch völlig andere. Für den mittleren Lebensabschnitt bieten sich unzählige Angebote für die Anbahnung von Liebesbeziehungen, für Menschen im fortgeschrittenen Alter sind solche kaum vorgesehen. Dies kann die Suche nach, jedoch nicht die Bindung an jemanden, deutlich schwieriger machen.

 

  1. Welche Ansprüche haben Ihrer Erfahrung nach ältere Menschen an eine Partnerschaft?

Kontinuierliche Partnerschaften, welche bereits durch die Zeit gefestigt sind stellen im besten Falle ein solides Fundament dar auch den Lebensabend in einer befriedigenden Zweisamkeit zu verbringen. Ein gemeinsames Herantreten an den Abschied von dieser Welt kann möglich werden – ruhend auf der gemeinsamen Geschichte.

Neue Beziehungsaufnahmen im fortgeschrittenen Alter bedeuten Anregung und Auseinandersetzung mit einem neuen Menschen. Das hält ‚jung‘ und macht Spaß.

 

  1. Inwiefern unterscheiden sich ihre Ansprüche von denen jüngerer Menschen?Liebe im Alter und in der Zukunft

Das Bedürfnis nach Gesellschaft, nach Nähe und nach Austausch steht im Vordergrund. Erotik, Sexualität und Abenteuerlust treten im Alter in den Hintergrund. Es geht um Sicherheit und allenfalls auch um den Austausch über Erlebtes, Verpasstes und auch um Ängste in den Bereichen Gesundheit, Krankheit und Tod.  Die Freundschaftsgruppe spielt oft eine untergeordnete Rolle, die Zweisamkeit ist gesucht. Bei Bedarf auch die gegenseitige Unterstützung in der Alltagsbewältigung, wenn gesundheitliche Einschränkungen bestehen.

 

  1. Ältere Menschen werden oft als homogene Gruppe behandelt. Ab wann gehört man zu dieser Gruppe und gibt es in ihr klar unterscheidbare weitere Altersabstufungen oder ähneln sich die Bedürfnisse ab einem bestimmten Alter sehr stark?

‚Man ist so alt wie man sich fühlt‘, diese Aussage trifft wohl nicht immer zu. Körperlich-geistige Wellness ist auf jeden Fall zentral, wenn es um das Gefühl geht älter zu werden oder alt zu sein. Gleichzeitig ist die individuelle Spannbreite riesig und hängt nicht zuletzt auch mit wirtschaftlich-existentieller Sicherheit zusammen.

Ein bedeutsamer Aspekt stellt dabei die Gewissheit dar noch gebraucht zu werden und für die Gesellschaft und vor allem seine Nächsten noch nützlich zu sein. Nichts beeinträchtigt die psychische Verfassung mehr als ein diffuses Gefühl von Wertlosigkeit seiner selbst oder sogar eine Lebenssituation, in der man sich als eine Belastung für die Umwelt erlebt.

Klassische Phasenmodelle nennen nach der Erwerbsphase den Übergang in das Rentenalter, die Übernahme von grosselterlichen Aufgaben, den Rückzug in sein trautes Heim oder den Wechsel in eine Alterseinrichtung und die folgende Phase der Vorbereitung auf das Ableben und den Abschied von seinen Liebsten. Alles in allem Entwicklungsaufgaben mit unterschiedlichen Herausforderungen.

 

  1. Kommen Beziehungsprobleme bei älteren Menschen häufiger vor als bei jüngeren?

Ältere Menschen verfügen über vielfältige Erfahrungen, welche in einer Partnerschaft zur Stabilisierung sehr hilfreich sein können. Vieles kann mit sich selbst ausgetragen werden und muss nicht zwingend auf der Bühne der Beziehung ausgehandelt werden. Dies alles macht weniger konfliktanfällig. Beziehungen werden mit dem fortschreitenden Alter auch  bewusster erlebt. Sie werden nicht einfach als selbstverständlich empfunden und als solche auch geschätzt. Gleichzeitig können sich in die Paarkommunikation über die Jahrzehnte auch Muster einschleichen, welche dysfunktionalen Charakter haben und  zu gegenseitigem Rückzug und zu Verbitterung führen können. Dann beginnt ein stiller und einsamer Kampf in der Partnerschaft. Dieser ist jedoch in allen anderen Lebensabschnitten in ähnlicher Form auch möglich, es bieten sich aber meist mehr Ausstiegsmöglichkeiten.

 

  1. Welches sind die häufigsten Probleme zwischen älteren Menschen?

Älter werden ist für viele Menschen eine große und mitunter auch mit Scham besetzte Aufgabe. Einschränkungen in seiner körperlichen und geistigen Beweglichkeit zu erleben und akzeptieren zu müssen ist für den Betroffenen sowie auch für seinen Partner neu und oft auch ärgerlich bis beängstigend. Alte Konflikt- und Rollenmuster können sich auch auf diese Veränderungen übertragen. Es nervt und ärgert, wenn das Gedächtnis  nicht mehr so flott funktioniert oder die Suche nach Wörtern die Sprache langsam und holprig werden lässt. Der Aktionsradius für Unternehmungen wird kleiner und die täglichen Aufgaben sind zunehmend beschwerlicher. Plötzlich ist man auf Hilfe, meist fremde, angewiesen. Dies alles kann den Selbstwert empfindlich berühren. In Paarbeziehungen kann sich aus all diesen Aspekten auch eine chronifizierte Streitkultur entwickeln, die in ihrer Härte unerbittlich Tag für Tag ausgetragen wird.

 

  1. Gibt es einen Unterschied zwischen den Beziehungsproblemen jüngerer und älterer Menschen?

Die Verbindlichkeit nimmt in Beziehungen mit der Zeit und fortschreitendem Alter zu, die gegenseitig wahrzunehmende Verantwortung auch. Alternativen gibt es wenige bis gar keine mehr. Das Ausweichen auf Freunde und Bekannte ist auch in seinem Angebot eingeschränkt. Daraus entsteht eine Dimension des sich gegenseitig ausgeliefert Seins. Jüngere Menschen können mit mehr Flexibilität und Beweglichkeit Auswege suchen.

Gleichzeitig ist die Fähigkeit mit mehr Akzeptanz auch schwierige Lebensereignisse oder –phasen anzunehmen grösser. Dies stärkt das Bekenntnis zueinander und die Bereitschaft die Beziehung in schwierigen Zeiten weiterleben zu lassen wird grösser.

 

  1. Unsere Umfrage zeigt: Viele ältere Menschen finden ihr Sex sei im Alter besser geworden. Dabei verneinen sie, Sexpraktiken oder Sexspielzeuge zu nutzen. Gibt es neben der langjährigen Sex-Erfahrung andere Einflüsse die Sex im Alter befriedigender machen?

Sex im Alter ist mehr und mehr ein ‚Nähe und Intimität Genießen‘, der eigentliche sexuelle Akt der Kopulation tritt in seiner Bedeutung in den Hintergrund. Die Partner müssen keinen Klischees mehr gerecht werden, was die gegenseitige Begegnung vielleicht variantenärmer, jedoch auch vertrauter und sicherer macht. Das Abenteuer und die stürmisch-wilde Vereinigung weicht einem Akt des sich gehen Lassens und des Annehmens was möglich ist. Im Idealfall geprägt von einer großen gegenseitigen Dankbarkeit.

 

  1. Ferner zeigt unsere Umfrage: Viele Singles höheren Alters lehnen, trotz des Wunschs nach Liebe, die Ehe ab. Wie erklären Sie sich das?

Dieser formelle Akt verliert im Alter einfach an Bedeutung oder soll nicht in Konkurrenz zu einer früheren Beziehung, vielleicht der fast lebenslangen Ehe, stehen. Wenn man die Ehe als einen Ort betrachtet, der nicht nur der Zweisamkeit gewidmet ist, sondern auch zum Ziel hat Kindern einen Platz auf dieser Welt zu bieten, so ist diese Funktion im höheren Alter sicher obsolet. Die Ehe ist eine Metapher für Zukunftsplanung und Arterhaltung, beides Aspekte, die nicht mehr relevant sind. Hingegen können juristische Aspekte aus guten Gründen sowohl für als auch gegen eine Eheschließung im Alter sprechen.

 

  1. Welche Tipps haben Sie für ältere Menschen, die sich nach dem Scheitern einer langwährenden Beziehung wieder allein zurecht finden müssen?

Die neue Beziehung steht nicht mehr alleinig mit seiner Faszination in der Welt und dient nur dem gemeinsamen Wachsen. Jeder bringt seine eigene, ganz besondere Geschichte mit sich, die ihn selbst definiert und auch ein wichtiger und befruchtender Teil für die neue Beziehung werden kann. Es gehen zwei Menschen aufeinander zu, die bereits durch das Leben und die Menschen die darin vorkommen geprägt sind, das ist wunderbar und gleichzeitig eine Herausforderung. Partner sollten diese Welt des anderen als einen wichtigen Teil annehmen und damit in Austausch treten. Diese Welt braucht selbstverständlich auch seine Zeitfenster. Es gibt Menschen denen begegnet werden will, auch alleine. Dies soll vom Partner nicht als Ausgrenzung verstanden werden oder sogar eine Kränkung auslösen. Hier kann gezielte fachliche Unterstützung in Form von einer Paartherapie sehr hilfreich sein.

Wenn diese unterschiedlichen Welten neugierig und offen gemeinsam erkundet werden können, so kann vielleicht etwas noch Wertvolleres entstehen – lassen Sie sich vertrauensvoll auf dieses schöne Abenteuer ein.

 

  1. Welchen Einfluss hat die Familie auf die Partnerwahl im Alter?

Die Familie ‚lauert‘ im Hintergrund mit ihrer Liebe und ihren Sorgen um das Wohl ihrer Eltern und Großeltern. Meist wünschen sich Angehörige, dass nach schweren Verlusten wieder Beziehungen aufgenommen werden oder sind mindestens offen dafür. Selten kommt es dazu, dass ein solcher Schritt als Verrat am früheren Partner erlebt wird. Die Familie ist relevant, sollte deshalb auch berücksichtigt werden aber keinesfalls wegentscheidend sein. Menschen entscheiden selbst wen sie wählen und lieben.

 

  1. Was würden Sie älteren Menschen raten, die ihre „große Liebe“ verloren haben und glauben, damit hätte sich die Liebe für Sie erledigt?

Suchen sie nicht nach der alten großen Liebe. Tragen sie diese aber sorgsam mit sich in die Welt hinaus und gehen sie damit auf die Suche nach etwas Neuem. Seien Sie offen neue Facetten zu entdecken, lassen Sie zu, dass sie überrascht werden von der Mannigfaltigkeit des Phänomens Partnerschaft – mit oder ohne dem unglaublich schönen Schmetterlingsgefühl im Bauch. Keine Beziehung gleicht sich, weil kein Mensch wie er andere ist. Vertrauen Sie auf diese Einzigartigkeit auch in neuen Begegnungen.

 

  1. Abschließend ein Blick in die Zukunft: Welche Herausforderungen an die Liebesfähigkeit wird der Trend zu Unverbindlichkeit und Bequemlichkeit an kommende Generationen stellen? Wie sieht die Liebe der Zukunft aus?

Die Liebe wird auch in der Zukunft das Wichtigste, Schönste und Mächtigste sein was das Universum bewegt. Deshalb glaube ich nicht, dass die Liebe Schaden erleiden wird, jedenfalls nicht mehr als in der ganzen bisherigen Menschheitsgeschichte. Der entscheidende Punkt wird vermutlich die Beziehungsfähigkeit darstellen, welche durch Unverbindlichkeit und Bequemlichkeit Schaden erleiden kann. Schaffen wir es auch in Zukunft den Aspekten genügend Bedeutung und auch Zeit einzuräumen, welche in der Begegnung der Menschen  genau das entstehen lassen was bindet. Die alleinige Ausrichtung auf Funktionalität, die eigenen Interessen und die eigene Bereicherung stellen dabei große Hürden dar. Für eine Kultur der Liebe brauchen wir eine Welt, die aufeinander zugeht, die Solidarität, Wertschätzung und Akzeptanz zeigt. Liebe findet in einem Kontinuum statt, das sich unseren direkten Einflussmöglichkeiten entzieht und sie leuchtet in jedem von uns – wir müssen uns nur von ihr  berühren lassen.

 

Liebe im Alter, Liebe in der Zukunft erscheint auch auf www.edarling.ch

Machtfreie oder Gewaltfreie Kommunikation

Deeskalative Kommunikation oder ‚Gewaltfreie Kommunikation‘

Theorien zur Kommunikation finden sich zahlreiche von Watzlawik über Schulz von Thun zu Carl Rogers und seinem Schüler Marshall B. Rosenberg, der sich auch von Mahatma Gandhi inspirieren liess. Sie alle liefern wertvolle Modelle und Anregungen zum gleichwertigen und machtfreien Austausch zwischen Menschen.

Insbesondere Personen, die in nahen und vertrauten Beziehungen leben können dazu neigen in Spannungs- und Stresssituationen zu Kommunikationsstrategien zu greifen, die Elemente beinhalten, welche nach Macht, Überlegenheit ja sogar zur Unterdrückung des Gegenübers neigen. Solche Settings sind Paarbeziehungen, Familien, Teams in Freizeit und auch alle professionellen Gruppen, welche eine Aufgabe gemeinsam teilen.

Carl Rogers hat drei Variablen formuliert, die heute noch in allen Begegnungskontexten Bedeutung haben und auch als Grundvariablen therapeutischer Kontakte zählen. Es sind dies die Wertschätzung, die Akzeptanz und die Kongruenz bezüglich der Erkennbarkeit der eigenen Haltung.

Ich möchte hier als Beispiel das vielerwähnte Modell von Marshall B. Rosenberg näher betrachten. Er geht in seiner Theorie der gewaltfreien Kommunikation von vier grundlegenden Dimensionen und Phasen in der Begegnung zwischen Menschen aus, die zu beachten sind.

A) Beobachten

Die konkrete Wahrnehmung, Handlung oder Situation soll als solche geschildert und nicht auf dem persönlichen Hintergrund interpretiert oder bewertet werden. Der Gesprächspartner soll möglichst gut verstehen und nachvollziehen können worauf man sich bezieht und was gemeint ist.
‚Ich beobachte, dass in der letzten Zeit viele Dinge unerledigt bleiben. ‘

 

B) Gefühl

Die Beobachtung löst beim Mitteilenden ein Gefühl aus, das in Worte und verstehbar mitgeteilt werden soll.  Ohne mit Ärger oder Anschuldigungen zu reagieren.
‚Ich fühle mich dadurch verunsichert und das löst bei mir ein Unbehagen aus. ‘

 

C) Bedürfnis

Aus dem Gefühl ergibt sich ein Bedürfnis, das mit allgemeinen Aspekten des menschlichen Erlebens und einfühlsamem Kontakt zusammen hängt. Gefühle entstehen, wenn solche Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind. Es entsteht eine Spannung. Bedürfnisse zeigen uns oft auf in welcher Richtung sich Möglichkeiten zu neuen und vielleicht auch ungewöhnlichen Lösungen finden lassen. Diese sollen wiederum die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen.

‚Ich würde gerne wissen ob meine Wahrnehmung zutrifft und ob ich etwas tun kann. ‘

 

D) Bitte

Hier soll ein konkreter Wunsch formuliert werden, der eine ebenso konkrete Handlung des Anderen möglich werden lässt. Solche Apelle können auf der Inhalts- und auf der Beziehungsebene liegen.

‚Ich möchte dich bitten mein Handeln als kooperativ zu verstehen und würde mich freuen, wenn du mir deine Empfindungen mitteilst. ‘

Rosenberg hat zur gewaltfreien Kommunikation folgenden Satz formuliert: „Wenn ich A sehe, dann fühle ich B, weil ich C brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D.“

Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg

Die dafür nötigen Voraussetzungen welche Rosenberg nennt sind die folgenden. Eine Selbst-Empathie, welche es uns möglich macht offen anzunehmen was uns innerlich beschäftigt, ohne eigene Scham oder Beurteilung und in direktem Kontakt mit unseren  Bedürfnissen. Eine Empfänger-Empathie im Kontakt zum Gegenüber, das es uns möglich macht anzunehmen was mitgeteilt wird und abzuwehren. Und die Fähigkeit zu respektvoller Mitteilung der Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten an den Anderen.

Die Berücksichtigung dieser Grundsätze im Umgang miteinander erhöht den Grad der Orientierung dem Anderen gegenüber. Dies entspricht einem menschlichen Grundbedürfnis und stellt Verständnis und Bereitschaft für gemeinsame Lösungsschritte dar.