Therapeutische Beziehung als zentrale Variable

Therapeutische Beziehung und ihre Bedeutung wird immer wieder betont, in den Mittelpunkt gestellt und zeigt sich in Psychotherapiestudien als eine der entscheidenden Variablen für den Therapierfolg. Trotzdem ist sie neben methodologischen Betrachtungen mehr eine Randerscheinung und erscheint dadurch in der Forschung nicht genügend gewürdigt.

Die Beziehung zwischen Therapeutin/Therapeut und KlienIn  ist einer der besten untersuchten Wirkfaktoren von Psychotherapie. Es wird auch von Therapieallianz gesprochen (Grawe, 2005; Norcross, 2011). Zu einem rein fachlichen oder impliziten Zugang in der Therapie/Beratung zeigt sich bei  professionellen Psychotherapeuten und -therapeutinnen eine ungefähr doppelte Wirksamkeit. Die disbezügliche Einschätzung schon bei Therapiebeginn zeigt sich dabei als sehr valide.

Psychotherapie

Psychoanalyse und Person zentrierte Theorie

Carl Rogers ist neben Sigmund Freud einer der Protagonisten, welche der Beziehung in der theraputischen Diade ein Hauptaugenmerk gewidmet hat. Ausgehend von einer Kritik an der Unfehlbarkeit der Fachperspektive. „Meines Erachtens besteht ein großer Mangel an kreativem Denken und Theoretisieren bezüglich der Methoden der Sozialwissenschaft. In unserem Team besteht der Eindruck, dass der logische Positivismus, die Philosophie, in der wir von Berufs wegen aufgewachsen sind, nicht notwendigerweise der Weisheit letzten Schluss darstellt.“

Zum therapeutischen Prozess äussert sich in folgender treffender Art und Weise: „Das Wesen einiger der tiefsten Abschnitte der Therapie ist anscheinend eine Einheit des Erfahrens. Der Klient kann unbehindert sein Fühlen in voller Intensität, in ‚Reinkultur‘ erfahren, ohne intellektuelle Sperren oder Vorsichtsmaßnahmen, ohne dass es durch das Wissen um widersprüchliche Gefühle eingeengt wird. Ich kann mit der gleichen Freiheit mein Verständnis für dieses Gefühl erfahren, ohne Bedenken oder Besorgnis darüber, wohin es führen könnte, ohne irgendein diagnostisches oder analytisches Denken, ohne irgendwelche kognitive oder emotionale Barrieren gegen ein völliges ‚Sich-gehen-Lassen‘ im Verstehen.“

Eine durch Flückiger, C. et al. 2020 1) durchgeführte Metaanalyse über 400 Studien zum Therapieerfolg in unterschiedlichen kulturellen Settings führte zu folgender mothodenunabhängigen Erkenntnis: „Psychische Störungen werden dann besonders erfolgreich behandelt, wenn Therapeutin und Patientin innerhalb einer vertrauensvollen Beziehung zielgerichtet zusammenarbeiten.“

Resonanz und Unverfügbarkeit

In Ergänzung zu rein psychotherapeutischen Betrachtungen bietet sich das mehr soziologische „Konzept der Resonanz und Unverfügbarkeit“ von Hartmut Rosa an. Dabei wird eine differenzierte Analyse wichtiger Aspekte präsentiert, welche geeignet sind eine tragfähige Beziehung herzustellen.

Resonanz wird als ein Beziehungsmodus definiert, der durch vier Bedingungen bestimmt ist:

1. Affizierung: Das Individuum wird von etwas, anderen Menschen, einem Bild, einem Musikstück „angerufen“, es ‚berührt‘ ihn.

2. Selbstwirksamkeit: Durch dieses ‚Angerufen werden‘ findet eine Reaktion im Innern des Menschen statt. Die Gefühlswelt reagiert, wird erkennbar  und dadurch wird das Individuum wahrgenommen und erhört.

3. Tranformation: Das Eintreten der beiden vorausgehenden Bedingungen macht es möglich, dass sich der Mensch in irgend einer Art und Weise anpasst oder verwandelt. Eine Veränderung der Befindlichkeit, eine Erweiterung der Betrachtungsweise oder auch des Handlungsspielraumes wie es in der Psychotherapie angestrebt wird. Vielleicht auch mit dem Empfinden, das man sich dadurch als Mensch verändert hat.

4. Unverfügbarkeit: Die Resonanzerfahrung ist nie sicher, die Erwartung, Hoffnung oder Sehnsucht kann eintreten oder auch nicht. Resonanz ist in ihrer Entstehung offen und grundsätzlich ergebnisoffen und nicht fix definisert, wie es in einer analytischen Denkweise versucht wird verfügbar und durchdringbar zu machen. Sie kann als ein Geschenk betrachtet werden.

Zwischenmenschliche Beziehungen finden sich in allen Lebensbereichen und alle diese Ausführungen stellen einen Versuch dar das Besondere und auch Geheimnisvolle zu ergründen. In der psychotherapeutischen Beziehung gilt all das Genannte. Ausgehend von den drei Variablen Empathie, Akzeptanz und Kongruenz, welche Rogers definiert hat, bis hin zu den Aspekten fachlicher Kompetenz, welche den Hilfesuchenden in einer Psychotherapie auch in einem beratenden und handlungsanleitenden Sinne zur Verfügung gestellt werden.

Literatur:

– Flückiger, C., Rubel, J., Del Re et al. (2020). The reciprocal relationship between alliance and early treatment symptoms: a two-stage individual participant data meta-analysis. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 88(9), 829-843. doi: 10.1037/ccp0000594

– Grawe, K. (2005). (Wie) kann Psychotherapie durch empirische Validierung wirksamer werden? . Psychotherapeutenjournal, 2005, 4–11.

– Rosa, H. (2020). Unverfügbarkeit. suhrkamp taschenbuch 5100

– Norcross, J. C. (2011). Psychotherapy relationships that work. Evidence-based responsiveness, 2. Aufl. Oxford: University Press.

Teilweise in Anlehnung an: Einsle, F., & Härtling, S. (2015). Die Erforschung der Psychotherapie: Aktueller Stand und Themen für die Zukunft. Psychotherapie-Wissenschaft, 5(1), 38–50. Abgerufen von https://psychotherapie-wissenschaft.info/article/view/295