Tagebuchschreiben als Traumatherapie
Tagebuch schreiben wirkt befreiend
Manche Geschichten hat James Pennebaker bis heute nicht vergessen. So verstörend sind die Erlebnisse, die Menschen ihm anvertraut haben. Da war der junge Mann, dem das letzte Gespräch mit seinem Vater nachhing – dem Vater, der die Familie vor Jahren verlassen und dem kleinen Sohn zum Abschied gesagt hatte: „Du bist schuld, deine Geburt hat unsere Ehe zerstört.“ Da war die Studentin, die sich als Kind eines Tages geweigert hatte, ihre Spielsachen vom Boden wegzuräumen, als die Oma zu Besuch kam. Auch nach Jahren haderte die junge Frau mit sich, denn die Großmutter war damals über eines dieser Spielzeuge gestürzt und hatte sich die Hüfte gebrochen. Kurz darauf starb sie während der Operation.
Es waren Geschichten von Schuld und Schrecken, die James Pennebaker zu lesen bekam. Geschichten, die das Leben von Menschen geprägt hatten und die auch seines verändern sollten. Der Psychologe von der University of Texas begründete in den achtziger Jahren eine neue Form der Therapie, die heute weit verbreitet ist: das expressive Schreiben. Menschen schreiben dabei über ein persönliches Erlebnis, das sie belastet. Sie stellen sich den schweren Gefühlen und fassen in Worte, was ihnen Kummer bereitet.
Zunächst testete Pennebaker die Wirkung an knapp 50 Studenten. Es waren junge, im Grunde gesunde Menschen, doch zu seinem Erstaunen hatten viele schlimme Dinge erlebt: den Verlust eines geliebten Menschen, Missbrauch, schwere Unfälle. Er bat sie, beim Schreiben 15 Minuten lang ihren tiefsten Gefühlen und Gedanken nachzugehen. Die Versuchspersonen nahm das sichtlich mit: Viele hätten den Raum hinterher tränenüberströmt verlassen, erinnert sich Pennebaker. Doch am nächsten Tag kamen sie wieder, um weiterzuschreiben.
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