Liebe im der Zeitalter der Ökonomisierung

Warum lieben wir uns überhaupt noch kostenlos in dieser durchoptimierten Welt? Oder quantifizieren wir in der innersten Zelle unseres Lebens bereits heute den Wert von Geben und Nehmen?

 

Menschen sind soziale Wesen und haben sich schon immer zu Lebensgemeinschaften zusammengeschlossen, um ihre existentielle Zukunft zu sichern. Wir haben es geschafft dies mehr und mehr zu perfektionieren und uns dadurch die Poleposition auf dieser Welt gesichert. Eine tolle Leistung im Kontext der Gesamtevolution.
Uns geht es zweifellos gut und doch stellt sich manchmal die Frage wo sinnvolle Grenzen in dieser Kosten-Nutzen-Rechnung gezogen werden könnten. Selbst Freiwilligenarbeit wird zum volkswirtschaftlichen Faktor erklärt und Elternschaft zum Teil des Bruttosozialproduktes. Wir treffen uns nicht mehr zu einem Kaffee, sondern wir Netzwerken.
Wir tun gut daran, wenn wir den Beziehungen zu uns nahe stehenden Menschen Sorge tragen, damit zweckorientiertes Denken uns nicht voneinander entfremdet und wir uns selbst schlussendlich ohne es zu bemerken zu einem Produkt unser Lebensgestaltung degradieren.
Wir brauchen eine Kultur der Zuwendung und des selbstlosen Gebens, um den Blick für einander und die wahren Werte unseres Seins nicht zu verlieren.
Paare, denen der Zugang zueinander verloren geht, suchen oft nach der gegenseitigen Erfüllung der verborgenen Träume und dem grossen Schlüssel des Verbindenden. Dabei wird oft vergessen, dass die Pflege der Beziehung zuerst in den kleinen Zeichen der alltäglichen Wertschätzung beginnt. Ein Lächeln, ein nettes Wort, eine Hilfestellung, ein flüchtiges Kompliment, wieder einmal etwas Verrücktes tun oder einfach nur die Aufmerksamkeit gemeinsamer Zeit. Alles scheinbare Selbstverständlichkeiten in der wunderbaren Kunst des Zusammenlebens. Lustvolles auf einander Zugehen erfordert aktives Handeln und die Bereitschaft dem Anderen Einfluss auf die eigene Gefühlswelt zu erlauben. Wohl ein Wagnis, das sich jedoch lohnt, wenn wir uns ein erfüllendes Miteinander wünschen.
Denn es geht schlussendlich immer um Liebe und das faszinierende Gefühl von bedingungsloser Zugehörigkeit und Hingabe.

 

Erschienen in der ‚Südostschweiz‘ August 2015